Finteresting http://www.finteresting.net/de Beobachtungen aus Finnland Thu, 25 May 2017 12:27:43 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.0.8 http://www.finteresting.net/wp-content/uploads/2015/12/cropped-flag-icon-32x32.png Finteresting http://www.finteresting.net/de 32 32 Im Präsidentenpalais http://www.finteresting.net/de/2017/05/25/inside-the-presidential-palace/ http://www.finteresting.net/de/2017/05/25/inside-the-presidential-palace/#respond Thu, 25 May 2017 12:27:43 +0000 http://www.finteresting.net/?p=509 Finnland ist ein kleines, junges und lutheranisches Land, und damit gibt es recht wenig Prunk in den Regierungsgebäuden. Aber es ist die höchste Ehre und Traum vieler Finnen eines Tages zur traditionellen Unabhängigkeitsfeier in den Präsidentenpalais eingeladen zu werden, wo der Präsident die Hände von hunderten sorgfältig ausgesuchter Gäste schüttelt. Zum 100. Geburtstag des Landes gab es nun eine selten angebotene andere Möglichkeit in den Präsidentenpalais zu blicken (wenn auch ohne das Händeschütteln), als das Haus vor ein paar Wochen für einige Tage der Öffentlichkeit die Türen öffnete. Und natürlich wollten sich viele die Gelegenheit nicht entgehen lassen, durchschnittliche Wartezeit um in den Palast zu kommen war 2 Stunden. Wir schafften es allerdings sogar in einer Stunde und 50 Minuten am Samstag, kurz bevor die Türen geschlossen wurden.

Der Präsidentenpalais ist eine der offiziellen Residenzen des finnischen Präsidenten, und befindet sich in bester Lage mitten im Stadtzentrum, den Marktplatz überblickend. Das Haus wurde 1816 von einem Kaufmann als sein Domizil erbaut. Danach wurde es allerdings schnell in die Residenz des Generalgouverneurs von Finnland umgewandelt und kurze Zeit später entschied Nicholas I, dass es die offizielle Residenz des russischen Zaren in Helsinki werden sollte. Die Umbauarbeiten wurden vom berühmten Architekten Engel (der einen Großteil von Helsinkis schöneren Gebäuden erbaute) im Neoklassizistischen Stil ausgeführt.

Zu Beginn stand das Haus die meiste Zeit über leer, und wurde nur bei gelegentlichen Besuchen der Zarenfamilie genutzt. Im und nach dem Ersten Weltkrieg wurde der Palast immer wieder für andere Dinge genutzt, unter anderem als Lazarett, bevor er für die Ankunft des auserwählten finnischen Königs vorbereitet wurde. Der zukünftige König war jedoch Deutscher, und angesichts der politischen Situation entschied er, dass es das Beste wäre dem finnischen Thron abzudanken. 1919 wurde der Palast schließlich zur offiziellen Residenz des finnischen Präsidenten. Heutzutage lebt auch dieser in einer ruhigeren Gegend von Helsinki und der Palast dient hauptsächlich Staatsempfängen.

Ich habe nicht viel Ahnung von Architektur oder Kunst, deshalb kann ich leider kein qualifiziertes Urteil über die Einrichtung des Palais abgeben, aber für mich sah es nach einer recht seltsamen Mischung aus: Der Eingangsbereich schien ein neuerer Anbau zu sein, der die hässlichste Zimmerdecke hat, die ich seit langem gesehen habe – es sah in etwa so aus, als wäre ein Linoleumboden an der Decke verlegt worden, in einer schwer zu beschreibenden Farbe die den Raum stark verdunkelte. Dahinter lagen dann die Art von Räumen, die man von einem Palast erwarten würde.  Verglichen mit den Herrenhäusern in Großbritannien war alles neuer und sah weniger persönlich und bewohnt aus. Ich bin mir außerdem ziemlich sicher, dass die Marmorwände nicht aus Marmor, sondern nur entsprechend bemalt waren. Es hingen überall teuer aussehende Leuchter, aber gab nicht viel andere Möblierung. Ein paar Gemälde hier und da, einige Stühle und kleine Sofas, aber im großen und ganzen sah es eher leer aus. Es war mit Sicherheit der protestantisch-kärgste Palast, den ich je gesehen habe.

Was ich recht reizend fand, war eine Portraitgallerie der First Ladies (und ein First Gentleman) im Obergeschoss des Atriums. Mir fielen dagegen nirgends Portraits der Präsidenten selbst auf (wobei man dazu sagen sollte, dass ich furchtbar blind sein kann, wenn es um Gemälde geht), was das ganze noch sonderbarer machte. Leider sind meine Fotos nicht so gut, wie ich das gerne hätte hier auf dem Blog, denn es waren viele Leute im Haus und ich konnte nicht lange warten bis alles menschenleer war. Aber die Bilder zeigen immerhin ein bisschen wie es aussieht im Inneren des Präsidentenpalais.

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Warten auf den Frühling http://www.finteresting.net/de/2017/04/30/waiting-for-spring/ http://www.finteresting.net/de/2017/04/30/waiting-for-spring/#comments Sun, 30 Apr 2017 12:55:52 +0000 http://www.finteresting.net/?p=493 Als ich nach Finnland zog machte ich mir über das Wetter keine allzu großen Sorgen. Jeder hatte mir versichert, dass anders als in Großbritannien, Finnland tatsächlich vier Jahreszeiten zu bieten hat. Und da ich ausgeprägte Jahreszeiten mag schien es ein guter Tausch zu sein, das ewige nasskalt und das Gefühl mehr Jahreszeiten an einem Tag als in einem Jahr zu erleben in Großbritannien zurückzulassen und stattdessen starke saisonale Kontraste in Finnland zu erleben. Dabei hatte ich mir natürlich nicht ausgemalt, dass “Frühling” erst irgendwann im Mai auftaucht und nur ein paar Tage dauert.

Letztes Jahr hatten wir einen richtig guten Winter im Januar. Im Februar gab es dann hauptsächlich nur Schneematsch, welcher sich dann in Regen und dauerndes grau verwandelte das bis Ende April andauerte. Am 1. Mai änderte sich plötzlich alles: Die Temperaturen sprangen auf 20°C und blieben die nächsten zwei Monate auch dort. Die Bäume waren praktisch über Nacht ergrünt. Mir fehlten die typischen Frühlingsboten, die einen auf wärmere Zeiten vorbereiten: Schneeglöckchen, Krokus, gefolgt von Narzissen und Tulpen – zumindest in Helsinki schien es davon keine zu geben. Ich glaube die ersten Blumen, die ich letztes Jahr sah waren irgendwann im Mai Glockenblümchen. Das lange Fehlen von Vegetation auszuhalten war nicht leicht für mich, aber immerhin schienen die Temperaturen langsam aber stetig zu steigen. Nicht so dieses Jahr:

Diesen Winter kam der erste Schnee schon mit dem Anfang von November. Den ganzen November hindurch gab es sogar relativ viel Schnee, aber dann wurde es wieder wärmer. Es schneite den einen Tag und regnete am nächsten, so dass wir weder vernünftigen Schnee hatten, noch sichere Eisflächen und die Straßen waren voller Matsch. Es war weit entfernt von der Winterwunderwelt, die ich mir erträumt hatte bevor wir hierher zogen.

Nach dem Reinfall, der dieser Winter war hoffte ich zumindest auf einen früheren Frühling, da es ja die ganze Zeit über recht mild gewesen war. Ich ersetzte die Winter- durch Frühlingsdekoration an den Fenstern. Die Sportplätze, die im Winter zum Eislaufen präpariert werden, waren schon ende Februar nicht mehr nutzbar, da es zu warm war. Gegen Ende März gab es 3 Tage, die so warm waren, dass ich meine Mütze wegpackte und überlegte von Winterstiefeln auf normale zu wechseln. Auf unserem verglasten Balkon war es so sonnig, dass es zu heiß zum dort sitzen war. Ich sähte Blumen und Gemüse in meinen Töpfen, die ich tagsüber auf den sonnigen Balkon stellen und Nachts hereinholen konnte. Am nächsten Tag wachte ich zu diesem Anblick auf:

 

Mir kamen fast die Tränen, aber ich tröstete mich mit dem Gedanken, dass es nicht lange liegenbleiben würde und wohl nur ein letztes Aufbäumen des Winters war, zuversichtlich, dass die Temperaturen auch weiterhin steigen würden. Taten sie aber nicht. Den gesamten April über kamen wir kaum über die 5°C und es war die ganze Zeit grau und regnerisch, so dass meine kleinen Pflänzchen es bis heute noch nicht sehr weit geschafft haben. Gegen Ostern begann es dann wieder zu schneien. Obwohl nichts liegenblieb kam in etwa jeden zweiten Tag Schnee vom Himmel und manchmal wachten wir auch zu weißen Straßen auf. Gestern, am 29. April, schneite es wieder ordentlich. Wir mussten trotzdem aus dem Haus, und da habe ich ein paar mehr Bilder gemacht:

 

Wir haben jetzt seit 6 Monaten Schnee. 6. Monate. Ich hätte so etwas in Nordfinnland erwartet, aber nicht hier ganz im Süden. Es ist 8 Wochen vor Mittsommer. In weniger als drei Wochen wird im nördlichsten Teil von Finnland die Sonne nicht mehr untergehen, und trotzdem haben sie dort noch fast einen Meter Schnee. Alle Urlaubstage, die ab morgen in Finnland genommen werden zählen als Sommerurlaub, und dennoch sind vereinzelte Krokus und ein paar arg mitgenommene Narzissen, die herzlos ins Kalte gepflanzt wurden das einzige, was bisher hier wächst. Morgen wird ganz Helsinki beim Picknick im Park sein, egal wie das Wetter ist, denn das macht man eben am Ersten Mai so. Und die Wettervorhersage verspricht auch für die kommenden 10 Tage nicht viel Verbesserung, mit dem nächsten Schneeregen vorhergesagt für 7. Mai. Wenn ihr also Freunde oder Familie in Finnland habt, denkt an sie wenn ihr die Frühlingsblumen genießt! Zumindest für mich ist nicht die Dunkelheit im Winter das Schlimme hier (wenn man einen normalen Bürojob hat kriegt man auch in Deutschland oder Großbritannien kein Tageslicht), sondern das lange Warten auf die ersten Vegetationszeichen im Frühling.

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Winterfotografie in Helsinki http://www.finteresting.net/de/2017/03/09/winter-photography-in-helsinki/ http://www.finteresting.net/de/2017/03/09/winter-photography-in-helsinki/#respond Thu, 09 Mar 2017 15:15:38 +0000 http://www.finteresting.net/?p=459 Diesen Winter nahm ich an einem Fotografiekurs teil, der von Mikael Rantalainen, einem örtlichen Fotografen durchgeführt wurde. Auf zahlreichen Exkursionen brachte er uns bei, wie man die finnische Winterlandschaft am besten in Szene setzt, und obwohl es dieses Jahr kaum richtigen Winter hier gab sind dabei ziemlich tolle Bilder herausgekommen. Das Geheimnis ist, dass man kurz vor Sonnenauf- oder -untergang ein interessantes Stückchen Küstenlinie finden muss, und selbst wenn nur ein paar kleine Eisschollen herumtreiben kann man fantastische Bilder schießen.

Es gab auch diesen Winter ein paar richtig kalte Tage an denen es unter -20°C war. Die ersten solcher Tage sind ideal zum Fotografieren, und wir verbrachten beide Tage viele Stunden im Freien. Wenn man sich nicht viel bewegt und nur auf den perfekten Zeitpunkt fürs Foto wartet – oder man sogar flach auf dem Eis herumkrabbelt um einen besonders tollen Winkel für ein Bild zu haben – wird es wirklich sehr, sehr kalt. Aber es ist es wert, da bei diesen Bedingungen die kalte Luft auf die relativ warmen Wassermassen des Meeres trifft, und dabei das Meerwasser wie Rauch aufsteigt. Da es dieses Jahr ein besonders plötzlicher Temperaturabfall war gab es sogar so viel Rauch, dass es schwierig war noch richtig zu fokussieren und klare Aufnahmen zu bekommen.

Wir versuchten auch Bilder am Vantaanjoki und einer weiteren Stelle mit kleinen Stromschnellen zu machen, aber da es dieses Jahr nie für längere Zeit richtig kalt wurde war die Bilderausbeute hier recht mager.

Als ich später meine Aufnahmen am Computer durchging fand ich es interessant wie unterschiedlich die Farben jeden Tag waren. Natürlich sind viele der Bilder unten stark mit Photoshop bearbeitet (ich neige dazu es mit Filtern ein bisschen zu übertreiben, vor allem, wenn ich gerade eine neue Technik oder einen neuen Filter gefunden habe, und es an so gut wie allen Bildern ausprobiere bis es mir wieder zum Hals raushängt). Aber man kann trotzdem deutlich sehen, dass an einem Tag alles lila erschien, am nächsten dann wieder blau, oder auch orange und rot.

 

Auf dem letzten Bild in der Galerie habe ich versehentlich ein paar Nordlichter dazueditiert – natürlich sind diese während Tageslichtstunden nicht sichtbar (und in der Stadt eigentlich auch sonst nicht), aber der Himmel hatte auf dem Originalbild eine komische Farbe. Als ich sie verändern wollte kam plötzlich eine Aurora Borealis dabei heraus. Ich beschloss dann es einfach so zu lassen, obwohl es etwas kitschig aussieht (ist ja nicht so, dass keines der anderen Bilder zu stark bearbeitet wäre…)

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Kleidung bei -20°C http://www.finteresting.net/de/2017/01/08/how-to-dress-in-20c/ http://www.finteresting.net/de/2017/01/08/how-to-dress-in-20c/#comments Sun, 08 Jan 2017 15:07:25 +0000 http://www.finteresting.net/?p=439 Letzten Donnerstag und Freitag fielen die Temperaturen hier auf um die -20°C. Ich mache momentan einen Fotografiekurs mit (Bilder davon folgen hier bald), und es stellte sich heraus, dass diese Temperaturen meist das ideale Wetter zum fotografieren sind. Was zieht man also an, wenn man mehrere Stunden im Freien verbringen soll ohne sich dabei viel zu bewegen? Die Antwort ist: viele Lagen. Leider sind die Lagen, die man an Hände und Füße packen kann aus praktischen Gründen recht beschränkt, also froren beide dennoch nach kurzer Zeit ein. Der Rest von mir bliebt allerdings tatsächlich recht angenehm warm mit diesen Lagen:

Clothing at -20°C

Und gerade bemerke ich, dass auf dem Bild noch die dicken Skisocken fehlen, die über Strumpfhose und Socken kamen, und natürlich gefütterte Winterstiefel. Alle diese Lagen anzuziehen verwandelt das Anziehen vor dem Ausgehen in eine längere Prozedur, und man möchte auch garantiert nicht aufs Klo müssen während man so unterwegs ist. Man sieht außerdem einfach komplett lächerlich aus – der Deckel bezeichnete mich als “Lord Helmchen” und ich glaube jemand hat mich im Bus fotografiert, weil ich gar so eingemummelt war. Außerdem hat man in all den Lagen in etwa die Raumwahrnehmung und Geschicklichkeit eines Zweijährigen. Ist mir aber alles egal, solange mir halbwegs warm ist!

Leider konnte ich meine Kamera nicht ähnlich dick einpacken, und am zweiten Tag fing sie an sich darüber zu beschweren. Ich glaube der Spiegel war leicht angefroren, und jedesmal wenn ich die Kamera anschaltete hüpfte er kurz. Ich machte mir schon Sorgen, dass damit etwas dauerhaft kaputt gehen könnte, aber zum Glück scheint wieder alles in Ordnung zu sein, jetzt wo die Temperaturen wieder bei um 0°C liegen (was mit einem Temperatursprung von 20° über Nacht geschah!).

 

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Wochenende in Sankt Petersburg http://www.finteresting.net/de/2016/11/06/weekend-trip-to-st-petersburg/ http://www.finteresting.net/de/2016/11/06/weekend-trip-to-st-petersburg/#respond Sun, 06 Nov 2016 17:20:52 +0000 http://www.finteresting.net/?p=403 Helsinki ist überraschend nahe an Sankt Petersburg. Zumindest fand ich es überraschend. Mit Visum kann man innerhalb von nur 4 Stunden mit dem Zug hinüberfahren. Oder aber man fährt auf dem Schiff, das einen über Nacht nach Sankt Petersburg bringt, auf welchem Wege man eine bestimmte Zeitspanne ohne Visum in der Stadt bleiben darf (gilt für EU Bürger). Dieses Jahr war es möglich zwei Nächte in Russland zu verbringen, aber Gerüchten zufolge wird sich der Zeitplan nächstes Jahr verschieben und nur noch eine Nacht wird mit dem Schiff in Sankt Petersburg verbracht. Wir beschlossen mit dem Schiff einen Wochenendausflug am Ende der Tourismussaison, Ende September/ Anfang Oktober zu machen, um hohe Preise und lange Schlangen zu vermeiden. Und wir hätten keinen besseren Zeitpunkt für unsere Reise wählen können: Die Tickets für das Schiff waren günstig, wir fanden eine tolle und billige Airbnb Wohnung mitten im Stadtzentrum, das Wetter war wunderbar und ideal für lange Ausflüge, und um diese Jahreszeit leuchtete das Gold nicht nur von den Häusern, sondern auch von den Bäumen in Sankt Petersburg.

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Die Reise

Wir fuhren auf Princess Maria von St Peter Lines und teilten uns eine 4-Bett-Innenkabine. Die Kabine war klein, aber ruhig. Es gab mehrere Restaurants an Bord, sowie ein Pub und eine Bar mit Bühne und Unterhaltungsprogramm (wir wurden mit einem Helene Fischer Konzert auf Leinwand “verwöhnt”). Vor der Reise war uns von einer Reisenden eine erstklassige Ballettvorführung versprochen worden, und obwohl wir keine großen Fans von Tanzvorführungen sind beschlossen wir es mal anzusehen. Für meinen Geschmack war das ganze allerdings etwas zu exotisch: Es begann mit lauter Diskomusik und maskierten Tänzern, die Wodka ans Publikum verteilten, gefolgt von einer furcthbar kitschigen Gesangsdarbietung und quietschender Querflötenkaraoke, während der wir den Rückzug antraten. Essen und Getränke an Bord waren verglichen mit Helsinki keineswegs teuer und auch noch recht schmackhaft – zumindest nachdem wir es geschafft hatten die schlecht übersetzten Menüs zu entziffern und uns von unseren Lachattacken erholt hatten.

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Am nächsten Morgen erreichten wir Sankt Petersburg und gingen sofort von Bord, bereit die Stadt zu erkunden. Aber die russische Bürokratie hatte zunächst anderes mit uns vor. Obwohl das Schiff fast leer war mussten wir über eine Stunde lang an der Passkontrolle anstehen, wo zwei pflichtbewusste Beamte pro Schalter zwischen 2-10 Minuten pro Person brauchten um Passdaten zu überprüfen und die Reisenden endlich zu entlassen. An der anderen Seite angekommen brachte uns dan ein kostenloser Transferbus von St Peter Lines ins Stadtzentrum, zum Isaaksplatz.

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Tag 1

Wir hatten nur kleines Gepäck dabei und beschlossen daher nicht bis zur Check-in Zeit unseres Airbnb zu warten, sondern statt dessen gleich die Stadt zu erkunden. Wir holten etwas Bargeld aus dem nächsten Bankautomaten, welcher uns nur 5000 Rubel Scheine ausspuckte, und beschlossen den Turm der Isaakskathedrale zu erklimmen. Die Dame am Ticketschalter wollte unsere großen Scheine erst nicht akzeptieren, konnte uns aber auch nicht sagen wo wir sie gegen Kleinere eintauschen könnten, und nahm sie letztendlich doch grummelnd an. Wir stiegen die Treppen bis zur Hälfte des Turmes, so weit wie es Besuchern möglich ist. Von hier hatten wir eine schöne erste Übersicht über die Stadt.

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Danach wanderten wir an der Admiralität mit wunderschön herbstlichem Park vorbei und überquerten die Newa. Während wir in einem schicken Restaurant am Flussufer zu Mittag aßen sammelten sich Wolken über uns und alle Schleusen öffneten sich zu einem heftigen, aber zum Glück kurzen, Regenschauer. Als wir mit dem Essen fertig waren hatten sich die Wolken schon wieder auf die andere Seite des Flusses verzogen und bildeten einen dramatischen Hintergrund für die Skyline der Stadt. Wir wanderten weiter zum Militärhistorischen Museum, wo ich mich von meinen Begleitern absetzte, da es nicht viel gibt was  mich weniger interessiert. Statt dessen wanderte ich durch die Straßen hier im Norden der Newa, wo ich eine beeindruckende Moschee fand, komplett mit blauen, aufwändig dekorierten Fließen bedeckt. Ich wanderte durch Wohngegenden und Einkaufsstraßen Richtung Norden bis ich den Botanischen Garten erreichte. Da es schon langsam spät wurde stattete ich ihm keinen Besuch ab, sondern wanderte auf anderem Weg zurück. Im Park neben der Gorkovskaya U-Bahn Station entdeckte ich dann noch eine wunderschöne Ansammlung von Skulpturen, die Sankt Petersburgs berühmteste Gebäude in Miniatur nachbildeten und auf einem stark vereinfachten Stadtplan standen. dsc_3755

Ich holte meine Begleiter wieder vom Museum ab und wir beschlossen endlich unser Gepäck loszuwerden. Die Wohnung befand sich in einer ruhigen Seitenstraße, nur wenige hundert Meter vom Isaaksplatz. Die Einrichtung war einfach, aber modern und sauber, und das Haus schien recht sicher. Wir ruhten uns etwas aus bevor wir wieder loszogen um Newsky Prospekt bei Nacht zu erkunden und Essen zu finden. Wir fanden es in Form eines Selbstbedienungsbuffets, welches sich leider als recht fleischig herausstellte (kleine Warnung an die Vegetarier an dieser Stelle: “Napolitana” als Nudelsoße bedeutet in Russland anscheinend mit Hühnchen und wenig anderem… stellt euch meine Enttäuschung vor als mir der Teller gereicht wurde!). Ich fand schließlich etwas Kartoffelbrei und leckere Schokoladentorte zum Abendessen. Kuchen, und besonders Schokoladenkuchen, sind in Sankt Petersburg richtig lecker – und ich wage zu behaupten, dass ich Experte für sowohl Schokolade als auch Kuchen bin.

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Tag 2

Vor der Reise hatte ich online bereits Tickets zum Katharinenpalast gebucht. Am Samstag nahmen wir also die U-Bahn zur Moskovskaya Station und fuhren von dort mit einem der häufigen (und unglaublich günstigen!) Busse nach Pushkin. Als wir an einer Haltestelle aussteigen wollten, ließ uns die Ticketverkäuferin – obwohl sie kein Wort Englisch sprach – nicht aussteigen, und bestand darauf, dass der darauffolgende Stop der Richtige für uns wäre. Damit hatte sie vermutlich auch recht, aber meine Begleiter hatten ein “Sozialistisches Cafe” entdeckt, welches sie besuchen wollten. Wir wollten die freundliche Dame nicht beleidigen, stiegen also an der vorgeschlagenen Haltestelle aus und liefen zurück. Das Cafe war düster, sauber und sah ein bisschen aus wie ein amerikanisches Diner aus einem 80er Jahre Film. Wir hatten schon etwas Hunger, aber es gab kein Essen dort. Die anderen beschlossen also wenigstens einen Kaffee zu trinken, aber nach einiger Diskussion stellte sich heraus, dass es auch keinen Kaffee gab, und wir zogen weiter.

Church in Pushkin

Wir kamen schnell an den Katharinenpalast, welcher auf den ersten Blick komplett verlassen schien – keine der gefürchteten Schlangen über die wir so viel gehört hatten. Wir betraten den Innenhof, und entdeckten eine kleine Schlange, die vor einer der Türen geduldig wartete. Wir hatten zwar keine Ahnung wofür sie anstanden, da nirgends Schilder angebracht waren, aber beschlossen einfach mal mitzuwarten in der Hoffnung, dass es der Haupteingang war.  Wir kamen schon nach etwa 15 Minuten an die Reihe, wanderten an einigen Souvenirständen im Inneren des Gebäudes vorbei und schlossen uns einer weiteren Schlange an, die zum Rundgang durch den Palast führte. Als wir vorne ankamen wurden wir jedoch sofort zurückgeschickt, da wir unsere Jacken nicht an der Garderobe abgegeben hatten. Anscheinend dürfen in so ziemlich jedem Museum in Sankt Petersburg nur die Tourguides (wie die stämmige Dame vor uns in der Schlange) Jacken und Taschen bei sich behalten.

Queue at Catherine Palace

Endlich Innen angekommen fanden wir riesige Mengen von Gold. Wikipedia behauptet, dass 100kg Gold für die Innendekoration verwendet wurden, aber für mich sah es definitv nach mehr aus. Mehrere Zimmer waren in diesem gleichen Stil gestaltet, ganz anders als die britischen Schlösser an die ich gewöhnt bin, wo jedes Zimmer eine andere Farbe und Stimmung hat. Endlich erreichten wir das berühmte Bernsteinzimmer, in welchem Fotografie streng verboten ist. Auf den ersten Blick sah es so aus, als könnte der Raum genausogut mit Plastik verkleidet sein. Aber wenn man näher hinsah konnte man erstaunliche Details in den unterschiedlichen Farben der einzelnen Bernsteinstücke, sowie feine Schnitzereien erkennen. Und nach diesem Raum kamen schließlich auch noch Räume in anderen Farben: Eines, in dem Bilder dicht Rahmen an Rahmen die gesamte Wand füllten, ein weiteres mit wunderschöner, handbemalter Tapete.

Als wir unsere Runde durch die Palasträume beendet hatten, schauten wir noch kurz in die Wechselausstellung, welche über Fächer war. Ich mag Fächer, sie sind nützlich und elegant, und hier wurden einige wirklich atemberaubende Exemplare ausgestellt. Dann wollten wir die gewaltigen Parkanlagen erkunden. Dort gab es laut Karte ein chinesisches Dorf, welches wir versuchten zu erreichen. Zuerst wanderten wir in die falsche Richtung los, dann waren wir plötzlich irgendwie auf der falschen Seite vom Zaun. Da das Dorf von außen wie eine Ansammlung hässlichen Betons aussah, beschlossen wir es sein zu lassen und statt dessen ein längst überfälliges Mittagessen zu finden.

Wir fanden es in einem italienischen Restaurant gegenüber des Bahnhofs von Pushkin. Es war ein seltsames Erlebnis: Wir bestellten alle Vier zur gleichen Zeit. Ein Gericht kam relativ bald an den Tisch, als diese Person dann fast fertig gegessen hatte kamen zwei weitere, und nach nochmal 5 Minuten schließlich das Letzte. Ich kam auch nicht darüber hinweg, dass mein Getränk in einem Wegwerfbecher serviert wurde. Ich versuche sonst unnötigen Müll zu vermeiden, und fühlte mich richtig schlecht etwas bestellt zu haben. Vermutlich denken jetzt alle ich übertreibe, aber das ließ das Restaurant auf den letzten Platz meiner Erlebnisse in Russland absinken. Nach dem Mittagessen beschlossen wir einen Zug zurück nach Sankt Petersburg zu nehmen, um eine andere Strecke als auf dem Hinweg zu sehen. Der Bahnhof selbst sah sehr schick, aber ansonsten wie ein normaler Bahnhof aus, aber alle Züge nach Sankt Petersburg gingen vom Gleis gegenüber, welches nur über einen Umweg durch eine Reihe von Kuchen verkaufenden alten Mütterchen und Überquerung der Straße erreicht werden konnte. Eine besonders wagemutige Reisende lief noch kurz vor dem Zug schnell über die Gleise.

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Zurück in Sankt Petersburg wanderten wir noch einmal den Newsky Prospekt entlang, diesmal im Tageslicht. Ich muss sagen, ich fand die Straße sah im Dunkeln mit den beleuchteten Häusern wesentlich ansprechender aus. Aber wir entdeckten auch hier einige nette Details, wie ein ganzes Orchester von kleinen Skulpturen auf einer Straßenlaterne. Am Abend kehrten wir mit schmerzenden Füßen zu unserer Wohnung zurück und beschlossen Abendessen in der Nachbarschaft aufzutreiben. Ich sollte erwähnen, dass jedes Restaurant und Cafe das wir in Sankt Petersburg sahen irgendetwas besonderes an sich hatte, wie zum Beispiel einzigartige Einrichtung, die jedem von ihnen eine besondere Persönlichkeit verlieh. Keine der kalten Ketten mit steriler Einrichtung, die man in großen Teilen Europas fast nur noch findet. An diesem Abend entdeckten wir ein kleines Restaurant in einem Keller, welches von außen etwas zwielichtig aussah. Aber wir waren hungrig und es schien die einzige Option zu sein, die noch offen war, und so traten wir ein. Drin fanden wir ein aserbaidschanisches Restaurant, gemütlich und gastfreundlich, vollgestopft mit allerlei kuriosen Gegenständen und hölzerner Kunst. Der Restaurantbesitzer sprach kein Wort Englisch, aber das hielt ihn nicht davon ab uns unterhalten zu wollen: Und er ließ sich Zeit dabei. Er nahm die Bestellung der ersten Person auf, lächelte glückselig, antwortete auf Russisch, nahm die Speisekarte und brachte sie nach vorne zur Rezeption. Dann kam er zurück um die zweite Bestellung aufzunehmen, und das Spiel wiederholte sich bis alle Bestellungen aufgenommen waren. Ich hatte ein Auberginen Schaschlik bestellt (zum Glück gab es englische Namen auf der Karte…). Was ich erhielt war eine komplette, ziemlich verbrannte Aubergine, mit einem Schlitz in der Mitte in dem ein Stück Schweineschwarte steckte. Es gab weder Soße noch Beilagen – und dennoch fand ich dieses Restaurant wesentlich besser als das vom Mittagessen.

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Tag 3

Als ich am Morgen aufstand konnte ich kaum noch laufen. Ich sehe vielleicht nicht wie ein Sportmuffel aus, aber ich bin wirklich nicht sonderlich fit und wir hatten in den letzten zwei Tagen große Distanzen zurückgelegt. Wenn du nach Sankt Petersburg fährst, sei gefasst auf viel Laufen, denn alles ist riesig, jedes Museum und jeder Palast das besucht wird trägt mehrere Kilometer auf dem Schrittzähler zusammen. An diesem Morgen legten wir die erste Pause schon im piekfeinen Kaufhaus Au Pont Rouge ein. Die Preise waren weit außerhalb unseres Budgets, aber es war interessant durch den Laden zu streifen, besonders in der Kosmetikabteilung, die sich durch viel Weiß und Leere auszeichnete.

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Danach besuchten wir die Blutskirche. Hinter dem makaberen Namen verbirgt sich die Kirche, die aussieht wie ein Lebkuchenhaus das in den Eimer mit Verzierungen gefallen ist. Ich musste fast weggetragen werden, als ich von außen fotografierte – so viel zu entdecken, so viele Details, so viele Farben! Und von Innen war die Kirche nicht weniger interessant, da jeder Zentimeter mit Mosaiken und Gemälden von Heiligen und Bibelszenen bedeckt war. Und natürlich Gold. Es ist immer Gold im Spiel in Sankt Petersburg.

Danach zogen wir weiter zum Winterpalast und der Eremitage. Wir hatten schon in den zwei Tagen davor die vermutlich niedlichste Kutsche der Welt entdeckt, die Touristen auf Fahrt mitnahm. Sie sah aus als wäre sie nicht ganz sicher ob sie noch Kutsche oder schon wieder Kürbis sein sollte, und die kleine Märchenprinzessin in mir wollte sie sofort mit nach Hause nehmen. Es war jedoch an der Zeit das Museum zu erkunden. Noch ein schockierendes Geständnis: Ich und der Deckel sind schreckliche Kunstbanausen und nicht wirklich interessiert an Kunst und altem Kram in Museen. Also machten wir ein Spiel daraus: Das erste Stockwerk des Winterpalasts ist nicht nur Museum, sondern besticht auch durch die atemberaubenden Palasträume, welche zumindest für mich wesentlich interessanter sind. Also beschlossen wir jeden einzelnen davon zu besuchen. Das mag sich jetzt nicht weiter schwierig anhören, ist ja schließlich nur ein Stockwerk in einem Gebäude – aber ihr habt keine Ahnung wie groß dieses Teil ist! Als kleiner Anhaltspunkt: Wir blieben in den meisten Räumen nicht lange stehen, und brauchten trotzdem etwa 2 Stunden um durch dieses Stockwerk zu kommen. Wir kreuzten alle schon besuchten Räume auf unserem Lageplan an, da wir keinen verpassen wollten und es keinen direkten Weg gibt, der durch alle Räume geht.

Pumpkin Carriage

Einige der Zimmer waren wirklich umwerfend und voll von großartigen Details: Eine Bücherei ganz in dunklem Holz gehalten, ein lichtdurchfluteter Raum mit weiß-goldenen Säulen der zu einer Terasse hinausführte, ein Zimmer komplett in rot mit schnörkeligen Goldverzierungen und als Türklinken Vogelklauen, die sich um einen großen Edelstein krallten, ein Zimmer das komplett mit riesigen Gemälden von toten oder sterbenden Tieren gefüllt war, ein Raum der so dermaßen golden war, dass man fast denken könnte man wäre farbenblind, und als angenehmes Kontrastprogramm ein blau-weißer Raum mit fast gar keinem Gold und dafür wunderschönen Stuckarbeiten… etwas das mir auch besonders auffiel waren die wunderschönen Holzeinlegenarbeiten. Nicht nur auf Möbeln, wie ein unglaublich fein gearbeiteter Vogel an der Seitenwand – vermutlich einer Kommode oder so -, sondern auch die Parkettböden. Und schließlich warfen wir auch ein paar Blicke auf einige der Kunstwerke, wie einen eher verstörend bemalten Teller: Lüsterner alter Mann riecht an der Achsel eines jungen Mädchens, während ein weiterer lüsterner alter Mann sie festhält.

Später am Nachmittag war es dann Zeit für uns zum Schiff zurückzukehren. Es wurde wieder ein Transferbus vom Isaaksplatz angeboten, und dieses Mal gab es keine Schlangen an der Passkontrolle. Und im letzten Sonnenlicht leuchtete selbst das Hafengebäude aus Beton golden, wie der Rest der Stadt.

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Links:

St Peter Line

Airbnb Wohnung

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Linnanmäki Lichterkarneval http://www.finteresting.net/de/2016/10/23/linnanmaki-light-carnival/ http://www.finteresting.net/de/2016/10/23/linnanmaki-light-carnival/#comments Sun, 23 Oct 2016 09:33:16 +0000 http://www.finteresting.net/?p=395 Es wird mit jedem Tag dunkler und kälter, und der Winter liegt in der Luft in Helsinki – aber das ist noch lange kein Grund im Haus zu bleiben! Letzte Woche feierte Linnanmäki seinen alljährlichen Lichterkarneval bevor der Park über Winter seine Tore schließt. Linnanmäki ist Helsinkis Vergnügungspark, und ein recht bezaubernder Ort: Er wurde 1950 auf einem Hügel nördlich der Töölönlahti eröffnet und gehört einer gemeinnützigen Organisation. Es wird kein Eintritt verlangt und sogar einige der Fahrgeschäfte sind umsonst: besonders viele für kleinere Kinder sowie ein Panoramaturm, von dem aus man eine wunderbare Aussicht über Helsinki genießen kann. Es gibt etwa 40 Fahrgeschäfte im Park, wie zum Beispiel eine Holzachterbahn, die schon 1951 gebaut wurde, einen Panoramazug durch den Park und (eines meiner persönlichen Highlights) mechanische Pferde, die auf ihren Schienen durch den Park galoppieren. Linnanmäki ist von April bis Herbst geöffnet und hat den Charme eines nostalgischen Rummels.

Leider hatte ich im Sommer nie meine Kamera dabei, wenn wir in den Park gingen, aber hier ein paar Bilder, die ich am Lichterkarneval gemacht habe:

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Goldener Oktober in Helsinki http://www.finteresting.net/de/2016/10/16/golden-october-in-helsinki/ http://www.finteresting.net/de/2016/10/16/golden-october-in-helsinki/#comments Sun, 16 Oct 2016 15:40:04 +0000 http://www.finteresting.net/?p=383 Während ich gerade an einem längeren Artikel über unseren letzten Wochenendausflug schreibe, gibt es hier zur Überbrückung ein paar Bilder vom heutigen Spaziergang um Töölönlahti, im Zentrum von Helsinki. Angeblich sind die Herbstfarben (auf Finnisch ruska) dieses Jahr in Südfinnland stärker ausgeprägt als sonst, doch im Gegenzug waren sie in Lappland, das sonst für spektakuläre Herbstfärbung bekannt ist, eher enttäuschend. Die Behauptung über Lappland kann ich nicht verifizieren, aber in Helsinki waren die Farben auf jeden Fall umwerfend. Und bevor die letzten Blätter fallen habe ich es heute auch endlich geschafft noch ein paar Beweisbilder zu schießen:

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Mökki-Leben http://www.finteresting.net/de/2016/09/10/mokki-life/ http://www.finteresting.net/de/2016/09/10/mokki-life/#respond Sat, 10 Sep 2016 14:50:56 +0000 http://www.finteresting.net/?p=354 Finnland ist berühmt für seine Wälder und Seen, und die Finnen genießen ihre natürlichen Schätze gerne durch Ferien im eigenen Land. Finnen schätzen auch ihre Privatsphäre, und würden deshalb nicht davon träumen ihre Sommerferien in einem Hotel oder einer Pension zu verbringen. Stattdessen gibt es hier eine große Ferienhüttenkultur. Es gibt ca. eine halbe Million Ferienhütten (“mökki” auf Finnisch) in Finnland, und fast jeder Finne besucht mindestens einmal im Jahr eine solche. Dieser Ferienhüttenboom begann um die Mitte des letzten Jahrhunderts herum, als es in Mode kam sich ein kleines Sommerhäuschen irgendwo abgeschieden an einem See oder beim Meer zuzulegen. Nich nur wohlhabende Familien, sondern so gut wie jeder, der irgendwoher ein Stückchen Land in die Finger bekommen konnte, baute eine solche und verbrachte viele Wochenenden und Sommerferien in vollkommener Ruhe und Abgeschiedenheit in den finnischen Wäldern.

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Bis heute ist es ein großer Traum vieler Finnen eine Ferienhütte an einem hübschen, ruhigen Ort zu besitzen. Viele Familien besitzen selbst eine Hütte, aber es gibt auch viele, die zur Miete angeboten werden für die, die keine haben. Heute gibt es die Ferienhütten in allen Größen und Formen: von sehr einfachen ohne Elektrizität und fließendes Wasser, bis hin zu villenartigen Häusern mit mehreren Terassen und Saunas. Aber ein paar Dinge haben sie alle gemeinsam: Kein Finne, der etwas auf sich hält würde eine Hütte ohne Sauna und Kaminfeuer bauen, sowie einem Platz um Holz zu hacken und aufzubewahren. Und wenn eine Hütte direkt am See oder dem Meer liegt, dann wird dort auch ein Bootssteg und ein Boot zu finden sein. Ein typischer Tag in der Ferienhütte könnte zum Beispiel Bootfahren, Beeren sammeln, und Holz hacken beinhalten, sowie definitiv einen Saunagang, und eventuell Reparaturen und Saubermachen rund um die Hütte. Ich habe auch schon Leute gehört, die diese Urlaube als Arbeitslager bezeichnen.

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Natürlich gibt es bei so vielen Ferienhütten im Land kaum noch welche, die wirklich allein und abgeschieden sind. Wer Glück hat, der hat eine gesamte kleine Insel für sich selbst, aber im Normalfall sieht man trotzdem eine handvoll weiterer Hütten am Ufer verstreut. Aber es gibt inzwischen auch ganze Feriendörfer, die sich ins Inland erstrecken, mit mehreren hundert Metern Fußweg bis zur Küste (unmöglich!). Aber in den meisten Fällen hat man trotzdem noch leicht seine Privatsphäre. Nicht alle fahren zur gleichen Zeit zu ihrer Hütte – außer am Mittsommerwochenende, an dem sich Städte in Geisterstädte verwandeln und jeder aufs Land zieht – und Finnen sind von Natur aus sehr ruhige Leute, so dass er Friede meist ungestört bleibt.

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Diesen Sommer besuchten wir verschiedene Ferienhütten. Eine davon war eine große, luxuriöse, nicht weit von Helsinki. Das Haus lag direkt an einem großen See, den wir natürlich mit dem Boot erkundeten. Wir versuchten eine der kleinen Inseln darin zu erobern, aber es stellte sich heraus, dass auch hier eine Ferienhütte stand, und so schlichen wir unentdeckt schnell zurück zum Boot. Wir kämpften uns auch durch den Wald, was sich hier oft als eher schwierig gestaltet. Schon seit einigen Jahren wird versucht die finnischen Wälder in einen natürlichen Zustand zurückkehren zu lassen, indem nicht in den Wald eingegriffen wird und auch totes Material nicht entfernt wird. Dadurch ist an vielen Stellen dichtes Unterholz, und oft ist ein Durchkommen unmöglich. Ich hatte gehofft in dieser Wildnis Blick von Elchen oder Flughörnchen zu erhaschen, aber wenig überraschend sahen wir nichts dergleichen.

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Die andere Hütte gehörte der Familie vom Deckel, eine kleine, sehr einfache und charmante Hütte, die erst seit etwa 15 Jahren über eine Straße zu erreichen ist. Sie liegt direkt am Meer und ist in etwa so abgelegen wie es heute noch möglich ist. Als wir ankamen halfen wir zuerst die Fischnetze einzuholen, und den Fisch zu säubern, räuchern und grillen, welchen wir dann zu Mittag- und Abendessen, sowie zum nächsten Frühstück aßen. Am Nachmittag gingen wir in den Wald um Heidelbeeren zu pflücken. Es stellte sich heraus, dass dies nicht ganz so kostenlos ist, wie ich immer dachte, sondern mal bezahlt mit Blut. Wir trugen lange Kleidung und Moskitonetze, aber auch das half nicht viel – die Mücken fraßen jeden Zentimeter von mir den sie zwischen die Zähne kriegen könnten. Nach einer Stunde hatten wir einen halben Eimer gepflückt und flohen so schnell wie möglich aus dem Wald. Wir ruderten dann noch etwas auf dem Meer herum, mit dem kleinen Boot, das natürlich zur Hütte gehört, wo sich noch mehr Mücken zum ausländischen all you can eat Buffet einluden.

Wieder bei der Hütte angekommen bestand der Deckel darauf Holz zu hacken (es war genügend vorhanden, aber er wollte trotzdem) und wir begannen die Sauna zu heizen. Während wir warteten, bis sie heiß genug war, konnten wir einen Schneehasen vor der Hütte beobachten. Leider war er etwas schüchtern, und so konnte ich nur seine fliehende Rückseite mit der Kamera einfangen. Zwischen den Saunagängen gingen wir dann auch im Meer schwimmen, was doch recht kalt war.

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Da es in der Hütte weder Strom noch fließend Wasser gibt ist die einzige Möglichkeit eine heiße Dusche zu haben nach dem Saunagang: Über dem Saunaofen ist ein großer Wassertank, in welchem Meerwasser während der Sauna aufgeheizt wird. Danach mischt man das Wasser mit frischem Meerwasser und duscht sich mit dem Eimer. Als der Deckel versuchte den Wasserhahn des Tanks aufzudrehen löste sich dieser jedoch und flog durch den Raum, gefolgt von einer Fontäne kochend heißen Wassers, welches den Boden der Sauna in brühheiße Suppe verwandelte. Wir sprangen aus dem Raum und versuchten noch einen Eimer unter dem Hahn zu platzieren, um wenigstens ein bisschen des heißen Wassers aufzufangen, wodurch wir am ende eine lauwarme Katzenwäsche genießen konnten.

Danach traten wir den Rückzug in die Hütte an: draußen war schönstes Wetter, die Sonne senkte sich langsam in warmen Farben, aber leider gefiel dies auch den Mücken. Ich begann meine Stiche zu zählen, was sich als unmöglich herausstellte, aber eine ungefähre Hochrechnung brachte mich auf um die 70. So saßen wir dann drinnen und starrten auf die wunderschönen Farben draußen, kratzten uns wie räudige Hunde und versuchten die einsame Mücke, die es ins Haus geschafft hatte, zu erlegen.

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